Tampa Red – Dynamite! The Unsung King Of The Blues

Tampa Red – Dynamite! The Unsung King Of The Blues
2 CD-Set Ace CDTOP2 1440

Tampa Red

Bereits 2015 erschienen aber noch regulär erhältlich, sind auf dieser Box 50 Titel des „Unsung King Of The Blues“ aus der RCA Victor-Bluebird Era 1941 bis 1953 wiederveröffentlicht.
Red’s Schallplattenkarriere dauerte von 1928 bis 1953, zählt man noch die zwei wenig geglückten späten Bluesville LPs dazu sogar bis 1960. Die überwiegende Zahl seiner offiziellen Re-Issues beschäftigt sich mit der Pre-War Periode, und auch auf Bootlegs finden sich nicht allzu viele Titel aus der Zeit danach, die von vielen Fans als „Bluebird Beat“ oder „-Swing“ oder auch als „Melrose Mess“ eher gering geschätzt werden, vielfach auch wegen dem inflationären Gebrauch des Kazoos.

Wer sich in den neunziger Jahren die 15-volumige „Complete Recordings“ Serie auf Document Records gekauft hat, wird in musikalischer Hinsicht wenig Neues hören, in qualitativer Hinsicht allerdings sehr viel. Während Johnny Parth für seine Veröffentlichungen ausschließlich Überspielungen alter Schallplatten in unterschiedlichem Zustand zur Verfügung standen, stammen alle Titel auf den gegenständlichen CDs von Originalquellen aus den Archiven und wurden neu aufbereitet. Alle Unzulänglichkeiten wurden beseitigt und uneingeschränkter Hörgenuss ist die Folge. Drei Titel und ein paar alternative Takes waren bisher unveröffentlicht, einer („Texas Stomp“, RCA Victor 20-2028B) kam damals auf einer Big Maceo 78er heraus.

Die meisten Stücke auf den beiden CDs kommen in umgekehrt chronologischer Reihenfolge.
Die erste Scheibe stammt weitgehend aus Red’s Zusammenarbeit mit dem Pianisten/Sänger „Little“ Johnny Jones, Bassist Ransom Knowling (wieso wurde bitteschön dieser Mann niemals interviewed?) und Schlagzeuger Odie Payne. Als Produzent fungierte nicht Lester Melrose, sondern drei andere ebenfalls nicht unbekannte Herren, und das ist auch deutlich vernehmbar. Das Kazoo kommt bei diesen Aufnahmen ab 1950 nur mehr selten vor, statt dessen spielt Saxophonist Bill Casimir sowie die Harpspieler Sonny Boy Williamson II und Big Walter Horton. Johnny Jones‘ Stimme ist bei vielen Balladen a la „“Pretty Baby“ zu hören, die man getrost als Bluesschnulzen (oder auch schnulzigen Blues) bezeichnen kann, dazu einige schnellere, jumpige Nummern; „Rambler’s Blues“ hört sich wie purer New Orleans Rhumba an.

Die Aufnahmen auf der zweiten Scheibe stammen aus der Zeit 1941 bis 1950 und tragen die Handschrift des Produzenten Lester Melrose. Am Klavier dominiert Big Maceo, aber auch „Blind“ John Davis, Bob Call und wieder Johnny Jones sitzen ein paar Mal an den Tasten. Den Bass steuert abermals meist Ransom Knowling bei, das Schlagzeug bedienen nacheinander Clifford Jones,Tyrell Dixon, Charles Sanders, Judge Riley und Odie Payne.
Red darf sich bei vielen Titeln mit dem Kazoo wichtig machen, der Zusammensteller des Albums fand aber auch einiges Material ohne; stattdessen wurden schon ab 1947 öfter Bläser eingesetzt. Ohne die musikalische Qualität der Doppel-CD insgesamt mindern zu wollen, schätze ich die zweite Scheibe trotz „Bluebird Beat“, Kazoo und „Melrose-Mess“ höher ein. Drei Titel davon kamen von 1942 bis 1949 in die Billboard R&B Charts, während sich danach dort mit dem „Pretty Baby Blues“ (1951) nur mehr einer fand.

Mit Titelauswahl und Zusammenstellung kann man getrost zufrieden sein, es wurde ganze Arbeit geleistet. Obwohl alle Aufnahmen ausschließlich für den 78er und 45er Singlemarkt eingespielt wurden und damals niemand an LP oder CD Veröffentlichungen dachte, hat John Broven zwei abwechslungsreiche, gut am Stück spielbare Scheiben zu Stande gebracht.
Aus der Ära 1941 bis 1953 ließe sich leicht ein zweites Volumen zusammenstellen; ob es dazu jemals kommen wird ist allerdings sehr fraglich. Wie erwähnt ist die Tonqualität sehr zufriedenstellend, auch jene der frühesten Aufnahmen, denen Azetate und Metallmatrizen zu Grunde liegen. Das Booklet enthält detaillierte discografische Details, informative Liner Notes von Jim O’Neal, bisher unbekannte Fotos und als besonderen Bonus Faksimiles aller ursprünglich erschienenen Plattenlabels, teils von Schellacks, aber auch von 7-inch Singles, die es seit 1949 gegeben hat.
Tampa Red Fans werden dieses Album schon gekauft haben oder werden es sich jedenfalls zulegen wollen, allen anderen Bluesfreunden sei es wärmstens empfohlen.

Werner Simon, März 2016