Rigor Mortis Group – „Just in Time“

Zeitlich bestens passend zum erfolgreichen Konzert der Rigor Mortis Group in der Fernwärme Wien anläßlich des Vienna Blues Spring 2005 hat sich nun Michael Franz, der schon im Herbst vorigen Jahres eine Review von „Love sick“ von Fall in Blues verfaßt hat, nun auch in die CD „Just in Time“ der Rigor Mortis Group hineingehört. Auch diese CD fand äußerst positiven Widerhall in der österreichischen Medienlandschaft (Concerto vier Sterne!), umso erfreulicher ist es, daß sie auch in unserem Nachbarland so gut ankommt. 

Michael selbst betreibt die Homepage „Tonbandwelt“ und ein äußerst informatives Bandmaschinenforum.

Hier findet Ihr nun Michaels Text:

Es ist schon ein paar Wochen her, daß ich die CD „Just In Time“ der „Rigor Mortis Group“ bekam. Geschickt hat sie mir Michael Amon, der diese CD produziert hat und die Percussion spielte. In ähnlicher Funktion war er auch auf der „Love Sick“ von „Fall in Blues“ vertreten. „Just in Time“ gehört ebenfalls zum Genre „Blues“, die Musiker sind auch in Wien ansässig. Ein alter Bekannter ist mit dabei: Hermann Posch spielt Slide auf 3 der 14 Songs.

Das ich mir mit „Just in Time“ anfänglich etwas schwer getan habe, lag auch daran, daß ich sie immer und unwillkürlich mit „Love Sick“ vergichen habe. Das sollte man nicht tun, denn trotz oberflächlicher Gemeinsamkeiten – Vienna Folk Blues – sind die CDs doch sehr verchieden. „Just in Time“ ist nicht so ruhig, nicht so intim wie die „Love Sick“, sondern etwas fetziger, quirliger, wenn auch keine ausgeprochene Up-Tempo-Platte. Meine Freundin quittierte meine Leihgabe zunächst mit einem höflichen „..ja, ganz gut…“, gab sie mir dann nicht mehr zurück und spielt sie zur Zeit auf heavy rotation. Als ich sie vor kurzem besuchte, füllte in angemessen-angehobener Lautstärke eine dufte Musik den Raum, die ich zunächst nicht erkannte. Fasziniert lauschte ich der Gitarre. Erst nach etlichen Takten, ich wollte schon nach dem Musiker fragen, identifizierte ich die Rigor-Mortis-Group. Was will man mehr, als daß einen eine Platte, die man schon oft gehört hat, immer noch überrascht?

Die Musik ist Blues, und zwar europäischer Blues. Man kennt die Traditionen, versucht aber nicht das Missisippi-Delta an die Donau zu verlegen. Eine vergleichbare Musik gab es beim British Blues Boom, und da hätte die Rigor Mortis Band durchaus vorne mitgespielt. Überwiegen akustisch, klingt die Musik quirlig und lebendig wie bei John Mayall, der singende Gitarrenton erinnert ein wenig an Peter Green, bei manchem Melodiebogen und mancher harmonischen Wendung meint man, der junge Rory Gallagher wäre mit seiner Akustischen vorbeigekommen und hätte ein paar Ideen spendiert. Das ganze wird locker und lässig gespielt, mit gerade soviel Routine, daß es nicht angestrengt klingt und so wenig Routine, daß es sich noch frisch und unverbraucht anhört. 

Das instrumentale Können ist tadellos. Neben Michael Amon an der Percussion spielt Thomas Straka am Bass, Werner Jelinek die akustischen Gitarrn, Bandleader Harald Gangl singt und spielt Gitarre. Amon spielt unauffällig-brillant, was für ein guter Begleiter er ist würde man erst dann merken, wenn er plötzlich fehlen würde. Ich liebe Trommler, die nicht alles zutrommeln! Zusammen mit Bassist Straka legt er das Fundament für die solide Gitarrenarbeit von Jelinek und Gangl. Dieser ist nicht nur ein guter Sänger – Vergleiche anderer Hörer mit David Clayton Thomas kann ich nicht ganz  nachvollziehen, möcht sie aber auch nicht unerwähnt lassen – sondern auch ein guter Songwriter. Alle 14 Titel eines Albums selber zu schreiben ohne eine einzige Lusche darunter – Hut ab, das hört man selten in einem Genre, in dem nichts leichter ist, als in langweilige Klischees zu verfallen und nichts schwerer, als die Tradition zu wahren und doch originell zu bleiben.

Bleibt als Kritikpunkt nur die Fixierung auf Saiten- und Schlaginstrumente. Das gibt dem Sound eine gewisse  Einförmigkeit, die ich mir gelegentlich z. B. durch ein keyboard aufgelockert wünsche.

Dies ist eine Platte für Fans des überwiegend akustischen Blues, für die Musik nicht Revolution sein muss, sondern durchaus gediegenes Handwerk sein darf, für Hörer, die sich nicht daran stören, daß es gleich ein paar geeignete Schublade für diese Musik gibt und die die Geduld haben, eine Platte durch mehrmaliges Hören wachsen zu lassen um nach und nach die Finessen zu entdecken, die man beim ersten drüberhören nicht wahr nimmt. 

Überhaupt scheint man in der Wiener Gegend ein Händchen für den Blues zu haben. Was bei deutschen Bluesbands eine harte, schwitzige Arbeit ist, wird in Österreich mit lockerer Hand elegant und leichtfingrig dahingetupft! Das ist wie ein Fußballmatch Deutschland gegen Brasilien, und Wien liegt in diesem Falle am Zuckerhut.

Michael Franz