Konzertbericht Herby & The Mudcats, 24.03.2017, Reigen

Herby & The Mudcats feat. Lilli Kern
Reigen, 24.3.2017.

Einen Abend der Coverversionen hatte ich erwartet, ein Abend der Coverversionen wurde es.

Im ersten Set hörten wir fast nur Chicago Blues der ĂŒblichen VerdĂ€chtigen Muddy Waters, Jimmy Rogers, Howling Wolf, Little Walter, Sonny Boy Williamson II – fast ausschließlich StĂŒcke aus den fĂŒnfziger Jahren, die fĂŒr das Chess Label eingespielt wurden. Es ist mĂŒĂŸig zu sagen, dass die Herren Dunkel, LĂŒlik und Hösel einander blind verstehen, SĂ€ngerin Lilli Kern wurde auch schon sehr oft begleitet, nur Schlagzeugerin Yasemin Lausch (hoffentlich habe ich den Namen richtig verstanden) ist neu und ersetzt den langjĂ€hrigen Drummer Reini Dlapa. Das FrĂ€ulein Yasemin ist eine erfreuliche Erscheinung und als Schlagzeugerin akademisch ausgebildet, was man in technischer Hinsicht auch merkt. Den richtigen Beat hat sie schon drauf, auf EinsĂ€tze und Breaks passt sie gut auf, Timing und Dynamik sind ordentlich. „Es ist dies“ sagt Herby, „ihr erstes abendfĂŒllendes Blueskonzert“. Na also, da hammas. Das erste Blueskonzert, mutmaßlich ohne viele Probeeinheiten vorher. Da wĂ€re es vermessen, gleich die QualitĂ€t eines Odie Payne oder Fred Below, eines Peter MĂŒller oder Michael Strasser zu erwarten.

Die drei Herren sind, wie erwĂ€hnt, bestens aufeinander abgestimmt und eingestellt, selbiges gilt auch fĂŒr Lilli Kern. Obwohl man sich weitgehend an die Originalversionen hĂ€lt, kommt die individuelle Handschrift der Solisten merkbar heraus, Bass und Schlagzeug liefern einen ordentlich groovenden Rhythmus ab. Aus dem ersten Teil hebe ich zwei Titel hervor: „Early In The Morning“ (Louis Jordan) ist ein Rhythm’n’Blues Rhumba, bei dem Gerry den Saxofon-Part auf der akustischen Mundharmonika nachspielt. „You’re Humbuggin‘ Me“ stammt von einem gewissen Rocket Morgan, den heute niemand mehr kennt. Das Lied ist schneller Louisiana Swamp-Pop, also eigentlich Rock ’n‘ Roll, und wurde ca. 1958 in Jay Miller’s Studio in Crowley aufgenommen. Kurioserweise habe ich dieses StĂŒck erst vor kurzem auch von einer anderen jetzt aktiven Bluesformation gehört – man fragt sich, wer diesen jahrzehntelang völlig unbekannt dahinvegetierenden Titel auf einmal wieder entdeckt hat.

Jedenfalls waren beide Lieder eine willkommene Abwechslung und somit eine Bereicherung des Repertoires.

Der zweite Set bleibt ebenfalls weitgehend in Chicago, mit „Ain’t Gonna Do It“ erwĂ€hne ich nur ein StĂŒck, das so ganz aus der Art ist. Bekannt gemacht durch Fats Domino wurde diese Komposition ursprĂŒnglich von Dave Bartholomew und spĂ€ter von Smiley Lewis eingespielt. Die Mudcats orientieren sich bei ihrer Version aber wahrscheinlich an der Aufnahme von Kim Wilson aus 2001.

Wirklich nur der Ordnung halber stelle ich fest, dass alle Instrumentalsoli großartig gespielt wurden, sowohl von Herby wie auch von Gerry: immer höchst kreativ, niemals gleich. Wenn ich richtig aufgepasst und mir gemerkt habe, kam die Slidegitarre nur einmal zum Einsatz ( „Little Red Rooster“); was die Bluesharp angeht, so hielt es Gerry Ă€hnlich wie sein Guru Little Walter – elektrisch zu akustisch etwa im VerhĂ€ltnis 5 zu 1, umgekehrt der Bass: elektrisch zu akustisch 1 zu 5.

Der Sound war insgesamt sehr in Ordnung, der Techniker wurde von Herby explizit gelobt.

Der Reigen war trotz des gleichzeitig stattfindenden Fußball-LĂ€nderspiels Österreich vs. Moldawien sehr gut besucht; man sah kaum leere Sessel.

Es war ein Ă€ußerst unterhaltsamer Abend.

Werner Simon, 25.3.2017