Reisebericht „Highway 61“ von Arthur Fandl

„That way, down on Highway 61“ – ein Reisebericht

Dieses Zitat aus Bob Dylan‘s Song „Highway 61 Revisited“ nahm ich diesen Sommer ernst. Es war im Rahmen meines Urlaubs und es wurde eine Pilgerreise in Sachen „Blues“. Der Trip begann in New Orleans und wenn man merkt, wie diese Stadt pulsiert, vor allem im French Quarter, wird man sich darüber klar, dass nur hier einer der bedeutendsten Musikstile des 20. Jahrhunderts entstehen konnte: der Jazz. Und hier beginnt auch jener Highway entlang des Mississippi, der durch das Delta bis nach Memphis führt. Dieses Gebiet entlang des „Ol` Man River“ wird immer mit einem der dunkelsten Kapitel der nordamerikanischen Geschichte verbunden sein, der Sklaverei, aber hier entstand eine Musik, die als Wurzel für den Jazz und die Pop- und Rockmusik gilt: der Blues. Entlang des  „Mississippi Blues Trail“ stehen über hundert Tafeln, die auf bedeutende Stätten und Musiker hinweisen, die für die Entstehung des Blues entscheidend waren.

Bereits in Natchez findet man einige solcher Tafeln. Hier besuchte ich auch ein Konzert der „Darkwater Band“, mit der ich den Song von Buster Brown, „Doctor Brown“ sang, der in den Sixties von Fleetwood Mac gecovert wurde. In Vicksburg findet man eine Tafel, die dem großen Bluesmusiker Willie Dixon gewidmet ist, der Songs wie „Little Red Rooster“, „Hoochie Coochie Man“ oder „My Babe“ komponierte, die unzählige Male gecovert wurden. In der Nelson Street in Greenville befand sich einst das Epizentrum des afroamerikanischen Entertainments mit vielen Nachtclubs wie „Casablanca“ oder der „Playboyclub“ sowie Schallplattengeschäften. In Leland, wo eine Tafel auf Johnny Winter hinweist, der hier einen Teil seiner Kindheit verbrachte, präsentiert das „Highway 61 Blues Museum“ Memorabilia bedeutender Bluesmusiker. In Holly Ridge befindet sich das Grab von Charley Patton, der die meiste Zeit auf der „Dockery Farm“ in der Nähe von Rulesville verbrachte, die man auch heute noch besichtigen kann. Und wenn man einen Knopf drückt, erklingt eine Aufnahme von Patton.

In Indianola befindet sich das B. B. King Museum, das sich mit dem Werdegang dieses großen Musikers auseinandersetzt. Geboren wurde er zwar in Itta Bena, einem Nachbarort, aber einen Teil seiner Jugend verbrachte King in Indianola. In der Nähe von Greenwood befindet sich bei der Little Zion M.B. Church das Grab des legendären Robert Johnson, auf den sich noch heute auch viele weiße Bluesmusiker berufen. Rosedale wurde vor allem durch die Zeile „Goin` down to Rosedale“ im Song „Crossroads“ des britischen Powertrios „Cream“ unsterblich, die diese Zeile dem Robert Johnson Song „Cross Road Blues“ hinzufügten. Außerdem solle es hier die besten „Hot Tamales“, eine mexikanische Spezialität, geben, die Johnson in seinem Song „They`re red hot“ besang. Leider war das „White Front Cafe“ noch geschlossen. Tutwiler ist durch die Tatsache unsterblich geblieben, dass hier W. C. Handy laut seinen Erzählungen auf dem Bahnhof einen Afroamerikaner beobachtete, der die Saiten seiner Gitarre mit einem Messer „slidete“ und „Goin` where the Southern Cross` the Dog“ sang, was Handy derart beeindruckte, dass er daraus den „Yellow Dog Blues“ machte. Handy, sagt man, wäre der Erste gewesen, der den Blues notierte. Eigentlich stammte er aus Florence, Alabama, wo noch sein Geburtshaus steht, heute als Museum eingerichtet. Zu seinen bekanntesten Songs zählen der  „St. Louis Blues“ oder der „Beale Street Blues“.

Clarksdale bietet das Delta Blues Museum, in dem man, exzellent aufbereitet, die Geschichte des Blues nachvollziehen kann. Herzstück der Ausstellung ist die Hütte von Muddy Waters, die ursprünglich zur Stovall Farm, ungefähr 10 km außerhalb von Clarksdale, gehörte, wo Muddy arbeitete und wo er 1941 von Alan Lomax erstmals aufgenommen wurde. Zu hören auf „The Complete Plantation Recordings“. Vor dem Museum traf ich zufällig auf den „schwarzen“ Bluesmusiker Josh „Razorblade“ Stewart, den ich, ehrlich gesagt, nicht kannte. Er erzählte mir, dass er in jungen Jahren öfter in Europa Konzerte gegeben habe. Wir tauschten unsere CDs aus, ich gab ihm meine „A Bundle of Blues“ und er mir einen Livemitschnitt seines Konzertes im „Ground Zero Blues Club“. Auf YouTube findet man einige Konzertfilme von „Razorblade“. In Clarksdale befindet sich auch das berühmte Riverside Hotel, in dem Größen wie Ike Turner oder Sonny Boy Williamson II gerne übernachteten. 1937 starb hier Bessie Smith. In Clarksdale befindet sich auch jene Kreuzung, auf der angeblich Robert Johnson einen Pakt mit dem Teufel eingegangen sein soll. Eine Skulptur erinnert an dieses Ereignis. Im „Hambone Club“ hatte ich die Gelegenheit, mit dem „weißen“ Bluesman Dave Dunavent „Baby what you`re doing to me“ und „Let the good times roll“ zu performen.

Nächste Station war Memphis. Das „musikalische“ Herzstück dieser Stadt ist natürlich die Beale Street. In den 20er-Jahren war diese Straße das Zentrum der „schwarzen“ Musik. Es gab Theater, Konzertsäle und Bordelle. Gleich am Beginn dieser Straße steht der B. B. King`s Blues Club und in der Folge reiht sich ein Club an den anderen, wo ab 17 Uhr live gespielt wird. Hier kam es auch zu einigen Auftritten von mir mit „schwarzen“ Musikern. Memphis bietet darüber hinaus die „Memphis Music Hall of Fame“, die „Blues Hall of Fame“ , das „Rock`n`Soul Museum“ und natürlich auch das weltberühmte „Sun Studio“. Der W.C. Handy Park weist darauf hin, dass dieser große Musiker eine Zeit in Memphis verbrachte. Sein kleines Haus ein paar Straßen weiter ist als Museum eingerichtet. Und natürlich muss, wenn man über Memphis spricht, auch  das „Stax Museum of Soul Music“ erwähnt werden, ehemals die „Stax Recording Studios“, wo viele Hits produziert wurden, z.B. von Otis Redding, Rufus und Carla Thomas, Isaac Hayes, den Staple Singers u.v.a. Auch Elvis hat hier aufgenommen (zu hören auf der CD „Elvis at Stax“). Aber es war auch das Hausstudio der berühmten „Memphis Horns“. In Memphis endet der Highway 61. Meine nächste Station war Nashville, aber das ist eine andere Geschichte……

Arthur Fandl