Konzertbericht Jürgen Posch 24.03.2016

Wir im Kölla und Jürgen Posch im Louisiana Blues Pub, 24. 3. 2016

Es scheint auf den ersten Gedanken plausibel, daß man dasselbe (und wohl auch das gleiche) nicht zweimal erleben kann. Ja, ja, Heraklit macht die Feststellung ganz unwiderlegbar, daß man nicht zweimal in denselben Fluß steigen kann. Das gilt gemeinhin auch für stehendes Wasser. Denn alles ist in Fluß. Geplagt von diesem Faktum stellte sich die Frage, wie weit sich „Jürgen Posch solo“ von „Jürgen Posch mit Hermann Posch“ wohl unterscheide. Wie markant würde sich für den ganzen langen Abend (21.00-23.45) die Person nach außen hin so zurückhaltend schüchtern, nach innen mit gefühlvollem Wesen als bestimmend erweisen? Denn es können ja nicht nur die lokalen Gegebenheiten für den CD-Titel „Die Kölla Saga“ bestimmend gewesen sein. Der extravagante Titel muß etwas mit seiner Musik zu tun haben.

Nun, sein Solo war dominierend, er brauchte keine großen oder kleinen Gesten, keine Stimmung, stimulierende Zutaten. All das war völlig zugedeckt mit einer Präsentation seiner Person, was am evidentesten folgende Tatsache handgreiflich macht: Im Publikum waren mehr als 75% Gäste aus nicht deutschsprachigen Ländern wie Amerika, Spanien, England, Kroatien, Slowenien (und vielleicht auch aus nicht konstatierten Territorien) vertreten. Und das bei einem Sänger, der ausschließlich bodenständigen Dialekt auch als nicht unterschätzbare Forderung der hiesigen Muttersprache verwendet. Dachte man halt: Na, die werden bald gehen, denn verstehen werden sie kein Wort. Aber die Musik, die hielt sie ausnahmlos bis 23:45 fest. Wenn alle im so weiten Areal der Bluesmusik Aktiven das nur im gleichen Maß fertigbrächten, nämlich ihre Musik so wie Jürgen Posch an den Bühnenrand zu rücken. Bei Opernfans ist das ja eine „conditio sine qua non“: verstehe ich kein Italienisch, allein wegen der Musik gibts kein vorzeitiges Fortgehen. Und das war der eine heftige Moment an jenem legendären Lousi-Abend.

Das Entdecken einer auffälligen Sonderheit war das feinste, eleganteste Geschenk des Musikers an den Zuhörer: Seine Musik sind während eines Liedes sich mehr und mehr verselbständigende Gewebe charismatischer, feinseidiger Elemente, die wie in einer nach Eindringlichkeit strebender Regie die dramatischen Aspekte herausarbeitenden Höhepunkte als spontanes Resultat dem Hörer übergibt. Kürzer gesagt: nicht nur der Text ist eingespannt in ein kompositorisches Gesamtkonzept, noch viel intensiver bietet das die Musik. Das kann nicht auf einem Reißbrett und auch nicht nach Regeln der Kompositionslehre entstehen, das tut sich im Künstler, außerhalb der rationalen Kreativecke.

Diese Einheit von Text und Musik verhindert die Wiedergabe der Texte im geschriebenen Wort, denn die Musik ist so eben nicht schreibbar im exakten Wortsinn. Um sich von Jürgen Posch sein eigenes Bild zu machen, gibt es nur das Miterleben einer Livepräsentation. Vorschule dazu, aber nicht alles zu 100%, gewährt seine „Kölla Sage“-Cd.

Man kommt Jürgen Posch dann auf die Schliche, wenn man die Genialität besonders in den feinen, ganz leise ausklingenden Akkorden spürt. Rational ist da nichts zu machen. Da braucht es die totale Offenheit für das Verführerische der Musik, was ja in jeder ihrer Erscheinungsweisen verlangt wird, außerhalb des irrtierenden Kommerzes, vor dem auch der Blues zunehmend anfangen muß, seriös und konsequent auf der Hut zu sein. Es ist ja arg, was sich da ansteigend im Fortschreiten der Präsentationen nicht mehr überhören läßt.

Paßt doch – wie nicht anders möglich – zu der Tendenz der Gegenwart, die in dem Schlagwort „Zurück zum Ursprung“ ihr Konzentrat hat.

Von den Texten, die im Tarngewand spezieller Exaktheit, zu deren Verstehen und Begreifen höchste Konzentration und Aufmerksamkeit des Hörers von Jürgen gefordert ist, ist da einer der Art, daß man ihn nicht genug propagieren kann: Jürgen sagt: Hast Du ein Dich quälendes Problem, geh in den Wald, schrei all das Belastende in den Wald. Die Bäume sind so stark, daß sie selbst solche Attacken bestehen. Heißt es aus anderem erfahrenen Mund: „The Blues is the heal(er)“, so erweitert  Jürgen dies auf „di Musi“.

Ich bin auf dem Weg in den Wald. Danke, Jürgen Posch!

Hermann Harrauer