Konzertbericht Meena Cryle & The Chris Fillmore Band

Meena Cryle & The Chris Fillmore Band, Reigen, 23.4.2015

Meena (Gesang und Rhythmusgitarre), Chris (Leadgitarre), Roland Guggenbichler (Piano und Orgel), Marlene Lacherstorfer (Kontrabass und Hintergrundgesang), Frankie Cortez (Schlagzeug)

Just an ihrem Geburtstag durfte man Meena im Rahmen des Vienna Blues Spring erleben.

Als ich mit der besten Sissi von allen um etwa 19h20 ankomme, reicht die Warteschlange schon über die Stufen hinauf bis zum Eingang. Im Cafe wollen wir vor Beginn noch ein paar Freunde treffen und werden im Vorbeigehen von einigen Wartenden angemurrt, die nicht glauben können, dass wir uns nicht vordrängen und einen vorderen Platz ergattern wollen. Zum Brechen voll ist der Reigen, die Fans reichen bis an den Vorraum zurück. Ganz hinten stehen wir, wie immer direkt hinter den längsten und breitesten aller Besucher. Dies würde uns nicht weiter stören, fühlten die sich nicht bemüßigt, einander ihre Lebensgeschichten zu erzählen.

Es ist unnötig, mich über Meena und Chris zu verbreitern – die beiden sind mittlerweile hier zu Lande und auch international bestens bekannt. Niemals haben sie sich besonders auf die heimische Bluesszene mit all ihren Interna und Querelen konzentriert, sondern sind beharrlich ihren Weg gegangen. Sie unterschrieben bekanntlich einen Vertrag mit Ruf Records, wo sie „Try Me“ (2010), „Feel Me“(2012) und „Tell Me“(2014) herausbrachten. Bei der European Blues Challenge in Berlin erreichten sie 2011 den zweiten Platz und sind seither auf allen Konzertbühnen und Festivals äußerst gefragt.

Bemerkenswert an den drei CDs der „Trilogie“ ist die Tatsache, dass die Anzahl der Coverversionen stetig kleiner wurde, und auf „Tell Me“ überhaupt nur mehr Eigenkompositionen zu hören sind.

Vor vielen Jahren sagte mir der legendäre Dave Bartholomew – wichtigster Vertreter des New Orleans R&B der 40er und 50er Jahre – während eines Interviews: “All you need is a good piece of material and those who bring it on stage“. Diese Aussage stimmt noch immer, und größte Hochachtung gebührt in dieser Hinsicht unter anderen auch Meena und Chris, denen die Ideen für neue, großartige Lieder offenbar niemals fehlen, und die sie auch unvergleichlich auf Tonträger und Bühne bringen. Songs wie neben vielen anderen „Take This Pressure“, „This Is My Will“ oder die Titelnummern der CDs müssen einem erst einmal einfallen.

Zurück zum Konzert: Der Vergleich zum Auftritt im Musikverein (s.Bericht vom 17.2.) drängt sich auf – und auch nicht. Hier das ehrwürdige, wenn auch sterile Ambiente des Gläsernen Saals, da das Flair des Music-Clubs. Hier das akustische Konzert mit Kontrabass und Cajon, da die elektrische Performance mit Elektrobass und Schlagzeug. Hier die brillante Akustik mit transparentem Sound, da der doch etwas mulmigerer Klang, zum Glück in adäquater Lautstärke.

Für das Reigenkonzert hatten die Künstler die sonst verwendete Setliste neu geschrieben. Die erwarteten einleitenden Titel „Tina Nina Nu“ und „You Can Have My Husband“ (beide aus einer CD aus 2006) kommen erst später im Programm. Stücke aus der „Trilogie“ sind prominent zu hören, einige Covers werden ebenso heftig akklamiert und kommen an den richtigen, passenden Stellen. Meena braucht sich um den Leitspruch „spiele nie zwei langsame Lieder hintereinander“ nicht zu kümmern – Balladen kommen derart intensiv ans Ohr, dass vielen der Mund offen bleibt, Applaus und Jubel sind ebenso heftig wie bei lebhaften Stücken. Einen besonderen Stage-Act braucht diese Band nicht, die Emotionen Meena’s werden mühelos ins Publikum übertragen. Bei Instrumentalchorussen stellt sie sich oft zur Seite und bewegt sich im Takt, ohne gekünstelt zu wirken. Ihre Stimme ist unverkennbar und unvergleichlich. Auch bei schwierigen Passagen trifft sie immer Takt und Ton, Einsätze und Breaks sitzen punktgenau. Eines fällt auf – sie tritt zwar zu Beginn gemeinsam mit ihren Begleitern auf, verlässt aber zum Schluss nach ihrem finalen Vokalpart die Bühne und lässt die Band alleine zu Ende spielen.

Den Vogel schießt an diesem Abend Chris Fillmore ab: während eines seiner Soli dreht er die Lautstärke seiner Gitarre fast auf Null zurück und wird nahezu unhörbar. Selbst die schlimmsten Schwätzer verstummen, man hätte den Fall der sprichwörtlichen Stecknadel hören können.

Alle Stücke sind im Satz selbstverständlich durcharrangiert, seine Chorusse aber wirken improvisiert und sind es auch. Obwohl viele Stücke als Blues-Rock bezeichnet werden können, gehört Chris nicht zu den berüchtigten Hochtongitarrenwürgern; er lässt auch da und dort verzichtbare Töne weg und erzeugt zusätzliche Spannung. Auf seinem Instrument ist er absolut firm, ob mit Slide oder konventionell, alles wirkt logisch aufgebaut. Fehlgriffe erlaubt er sich sowieso nicht.

„Ganzkörperkeyboarder“ Roland Guggenbichler ist zwar kein Bluesmusiker im engeren Sinn, sondern universeller Tastenkünstler. Die Arrangements kennt er in- und auswendig, seine Chorusse passen und haben Hand und Fuß. Anders als im Musikverein spielt er elektrisches Keyboard, das technisch einfacher abzunehmen ist und auch georgelt werden kann, was er aber nur an den richtigen Passagen sparsam tut.

Marlene Lacherstorfer verwendet diesmal logischer Weise auch ihr elektrisches Instrument. Auch sie ist nicht ausschließlich im Blues unterwegs, sondern mit vielen anderen Projekten beschäftigt, darunter mit ihrer Gruppe „ALMA“ im zeitgemäßen Volksliedprogramm „Transalpin“ mit Harmonium und Kontrabass (das nächste Mal im Metallenen Saal des Musikvereins am 12. Mai).

Sie spielt diesmal nicht so oft Melodielinien mit, sondern setzt ihren Groove fast immer kontrapunktisch ein.

Schlagzeuger Frankie Cortez ist kein Tricktrommler. Im hinteren Bereich der Bühne ist er wenig zu sehen, soliert selten aber gekonnt (bei einem langsamen Stück!), setzt den soliden Beat, ist immer

punktgenau am Takt, legt keinen Wert auf spektakuläre Aktionen, sondern sorgt zuverlässig für das rhythmische Fundament.

Sensationell die Zugaben (ab etwa 23:30!): vor „See See Rider“ und dem allerletzten Lied hören wir James Brown’s „This Is A Man’s World“ in einem äußerst gekonnten Arrangement. Das ist nicht als Aufschrei einer unterdrückten Frau zu verstehen – das würde auf Meena nicht zutreffen – sondern vielleicht als Mahnung an unsere noch immer männerdominierte Gesellschaft.

Dies war eines der besten Konzerte, die ich im Verlauf des Blues Spring erleben durfte. Superlativ.

Aber mehr als fünf Sterne gibt’s halt nicht…..      

Werner Simon

 

Foto © Joe Vigerl