43. Heimat bist du grosser Blueser

43. HEIMAT BIST DU GROSSER BLUESER Eine kritische Betrachtung zu aktuellen Ereignissen
©Al Cook, 2001 – 2013

Lang hat’s gedauert, aber jetzt kocht die Volksseele, denn die Zahl der durch massive Organisations- und Strukturprobleme betroffenen Musiker hat einen nicht mehr zu übersehenden Status erreicht. Der Blues als komplexe und präsente Kunstrichtung hat durch verschiedene Veranstaltungsreihen und die wachsende Anzahl seiner musikalischen und künstlerisch tätigen Vertreter sogar die Hintertür zur sogenannten populärkulturellen Szene aufgestoßen. Es sei jetzt thematisch verzichtet, die leidige Frage, Blues oder nicht Blues aufzuwerfen, denn es geht in diesem Beitrag um ein ganz anderes Problem, das eigentlich einen großen Teil der gesamten Musikergilde betrifft.

Das generelle Thema, das durch die Ereignisse rund um den Vienna Blues Spring und der Mojo Blues Parade zu behandeln ist, hat vorrangig mit der Position heimischer Musiker und Künstler im Werteschema der Sponsoren, Veranstalter und Medien, aber auch mit der Einstellung des breiten Publikums zu tun.

Die grundsätzliche Tendenz zur Unterbewertung unserer Kulturschaffenden liegt zum größten Teil in der still geduldeten Unterdrückung unseres nationalen Selbstbewußtseins, das man bis zu ihren Wurzeln verfolgen kann…und die reichen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zurück. Man beraubte uns unserer weltweiten Bedeutung als Musiknation und der Geburt der Zweiten Republik ging vorerst einmal die von oben verordnete Demontage jedweder patriotischen Regung voran. Die Anglo-Amerikanische Coca Cola Kolonisation wurde vorerst einmal als ersehnte Befreiung vom teutonischen Marschtrommelrhythmus begrüßt, barg aber schon in ihrer Embryonalphase den Keim, als deutschsprechende-Europäer stets in gebührendem Abstand hinter Amerika hertrappeln zu müssen. Als die Afro-Amerikanische Kultur und ihre Derivate, also Rock n Roll, Swing, R&B, oder authentischer Blues in unser Denken einflossen, begannen wir selbst eigene Musik zu machen, die auf den Erfahrungen und Einflüssen dieser Stilistik aufgebaut waren. Trotz allem aber sind wir Österreicher geblieben, deren fernes Ziel bis heute nicht erreicht wurde, nämlich die volle internationale Anerkennung und Werschätzung. Die typisch Österreichische Seele, die sowohl in den Herzen der Veranstalter als auch massiv im heimischen Publikum präsent ist, läßt diesen Traum von vornherein nicht wahr werden.

Man kann somanchen Künstler auf die Schulter klopfen und ihn mit Superlativen einseifen…doch ich habe schon vor 40 Jahren erkannt, daß die wahre Wertschätzung mit einer, dem Können angepaßten Gage beginnt. Da wir leider schon mal in einer materialistischen Gesellschaft leben müssen, haben sich auch die Wertmaßstäbe dahingehend verschoben. Doch da offenbart es sich, wenn die Geldbörse geöffnet werden muß.

Es gibt keinen logischen Grund, Musiker unterzubewerten, bloß weil sie aus dem eigenen Land kommen. Sie haben genauso Zeit, Arbeit und vor allem viel Engagement investiert, um wie andere auch, auf der Bühne zu stehen. Doch wer von den meisten Veranstaltern goutiert das? Bis auf wenige sind sie kalte Geschäftsleute, denen völlig egal ist, wer da auf der Bühne steht. In vielen Fällen hat der Lokalbesitzer nicht einmal eine blasse Ahnung, was Musik ist. Durch das enorme Angebot an Musikern, die noch die nötige Bühnenerfahrung sammeln müssen, entsteht eine einseitige Drucksituation, die den Veranstaltern einen quasi Cäsarenstatus verleiht. Man agiert nach dem bewährten Motto „divide et impera“ und verteilt die ohnehin lächerlichen bis beleidigenden Gagen je nach Gutdünken. Es bürgert sich aber offensichtlich auch noch eine Gewohnheit ein, die in ihrer Menschenverachtung wohl nicht zu überbieten ist….Man verlangt von den oft ohnehin fast mittellosen Musikern auch noch Kautionszahlungen, um dem Veranstalter das Risiko abzudecken.

Daß an unseren Musikern gespart wird, um „ausländische Gäste“ und ihre oft irrwitzigen Starallüren zu finanzieren, ist mir schon seit Beginn meiner Laufbahn eine Klarheit. Wie das z.B. mit den Popgrößen so gehandhabt wird, haben wir ja im Fall Kylie Minogue gelesen. Wer dieser Hupfdohle zweihunderttausend Euro reinschiebt, ist mir nicht bekannt, aber hunderttausend hätten es auch getan. Die zweiten hunderttausend hätte man für ein tolles Bluesfestival verwenden können. Auf einmal kratzen sich die Sponsoren und es ist plötzlich Geld da. Bloß wenn wir anständige Gagen verlangen, gibt’s halt leider kein ausreichendes Budget. Wer’s glaubt, wird selig. Berufene Augen- und Ohrenzeugen berichteten mir von wahrlich grauenhaften Vorkommnissen, die ich wohl schon lange vermutet habe, aber noch der Bestätigung harrten.

Eine Teilschuld des Publikums am Cäsarentum der Veranstalter ist leider nicht in Abrede zu stellen. Während manch heimische Musiker sozusagen gezwungen werden, nicht nur für sich selbst PR Arbeit zu leisten, müssen sie auch noch Karten verkaufen und ihre oft schwer zu mobilisierende Anhängerschaft mitbringen. Jeder Fan, der seinen Hintern nicht vom TV Sessel hochbringt, verringert die Chance, wenigstens die verlangte Kaution hereinzuspielen. Musiker sind weder PR Manager, noch Billeteure. Schreibe man sich das ins Stammbuch.

Kommt aber jemand aus den USA, kann oft nicht einmal die Hälfte von dem, was unsereins oft vor spärlichem Publikumsandrang leisten muß, dann drängt man sich an die Kassen und die Subventionen fließen, wie der sprichwörtliche offene Wasserhahn. Da drückt man einem Altstar ein paar Tausender in die Hand, er spielt eigentlich gar nicht und verschwindet sang- und klanglos, weil sich nicht einmal der Veranstalter um ihn kümmert. Jedoch für ein Fünftel dieses Betrages mußte ich letztens eine abendfüllende Bluesshow auf die Bühne stellen. Meine beiden Gäste habe ich dann aus meiner eigenen Tasche bezahlt, um meine Begleiter nicht zu belasten.

Da wirft sich dann hin und wieder die Frage auf….was wäre, wenn sich unsere Musiker auf die Beine stellen und diesem Treiben endlich mit einem gerechtfertigten Protestboykott antworten würden?? Leider gar nichts. Den meisten bedeutet die Musik zu viel, um diesen Herrschaften die Stirn zu zeigen und machen mit Zähneknirschen weiter. Den Veranstaltern tut das absolut nichts, denn die verdienen sich mit Clubbings und Discogehopse ohnehin eine goldenen Nase. Das habe ich mit eigenen Ohren einen Veranstalter sagen gehört. Der Gelackmeierte ist nur der Musiker, der nicht weiß, wo er sein nächstes Engagement herbekommt. Natürlich finden es die Herrschaften nicht für nötig, ihren Kritikern Rede und Antwort zu stehen. Das sind nichts als Machtspielchen, die von den Mächtigen schon immer gespielt wurden….leider haben sie bisher immer gewonnen.

Der Österreichische Minderwertigkeitskomplex gegenüber der Anglo-Amerikanischen Leitkultur müßte halt endlich einmal überwunden werden. Patriotismus und Nationalgefühl werden bei uns pflichtschuldig ins rechte Eck verbannt, wie ich es erst kürzlich wieder erfahren mußte. Kein Land der Welt macht sich vorm Ausland so in die Hosen wie wir. Sind wir niemand?? Können wir nur als Wiener Sängerknaben und Neujahrskonzertinterpreten punkten?? Offensichtlich schon, denn Larry Cohn, der Produzent der legendären Doppel-CD von Robert Johnson versuchte verzweifelt, Österreichische Blueskünstler an US Veranstalter zu verkaufen….der Tenor: Kein Interesse an Europäischen Musikern, gleich wie gut sie sind. Warum hofieren wir dann zweit- und drittklassige Klimperanten, bloß weil sie aus den USA kommen?? Es werden unangemessene Gagen gezahlt und oft bizarrste Starallüren in Kauf genommen. Das Geld ist da, nur die Verteilung ist schlichtweg skandalös. Wir sollten Buchungen diverser ausländischer Stars nur über gleichwertige Kompensationsgeschäfte vornehmen. Das machen sie nicht?? Dann „good bye und fall nicht“. Wenn wir das ein paar mal durchhalten, dann werden wir sehen was passiert. Wer rollt uns den Teppich in Amerika?? Habt ihr darüber schon mal nachgedacht??

Dasselbe gilt auch für die audiovisuellen Medien. Der Anteil an Österreichischen Künstlern im ORF, sowie in den Privatsendern, schwindet von Jahr zu Jahr. Da gibt es Argumente, wie…“Minderheitenprogramm“, die billigste Entschuldigung für mediale Ignoranz und das von oben verordnete Formatradio, die Diktatur globalisierter Großkonzerne. Die sind die letzten, die an einer Auswahlmöglichkeit interessiert sind, weil sie um die Profite bangen, die ihnen gleichgeschalteter Massenkonsum sichert.

Das, meine Leser und Musikerkollegen ist der Kern, an dem es krankt. Eine entsprechende Bewußtseinsbildung wäre umgehend angebracht.

Euer AL COOK

Ersterscheinugsdatum:22.05.2009 ©Al Cook, 2001 – 2010 http://www.alcook.at