4some blues

Walter Baumgartner (hca,vcl) Hannes Kasehs (g,vcl) Dani Gugolz (b,vcl) Peter Müller (d) STYX CD 1059

One More Chance With You/ Your Mind Is On Vacation/ You’ll Never Find A Love/ You Gonna Be Sorry/ Tell Me, Mama/ I’ve Got The Blues And I Can’t Be Satisfied/ It Ain’t Right/ Love Signals/ Just Got To Hold You Tight/ Feelin‘ Blue/ Blues With A Feeling

Der Schweizer Walter Baumgartner ist in seiner Heimat kein Unbekannter. Mit seiner „Walt’s Blues Box“ hat er bereits drei CDs eingespielt, als „Acoustic Blues Drifter“ ist er mit traditionellem Blues unterwegs und mit der Band „Ray Fein & Friends“ kann man ihn für spezielle Auftritte buchen. So nebenbei veranstaltet er Workshops und gibt Blues-Harp Unterricht. Ein vielbeschäftigter Musiker also, mit seinem Landsmann Dani Gugolz aber auch dessen kongenialen Schlagzeugkollegen Peter Müller seit langem bestens bekannt.

Es war also eine Frage der Zeit, bis man sich zu einem gemeinsamen Projekt entschloss, das zusammen mit dem vielseitigen Gitarristen/Sänger Hannes Kasehs zu „4some blues“ werden sollte.

Bei einem der zahlreichen Schweizer Gigs traf man zufällig wieder aufeinander, und obwohl alle vier eigentlich keine Zeit hatten, beschloss man, eine CD aufzunehmen. Flugs wurde Andi Wingert (kokastudio.com) kontaktiert, der selbstverständlich auch keine Zeit hatte, der Flug für Walter gebucht, und schon war man im Studio, um die vorliegende CD einzuspielen.

Nun drängt sich der Verdacht auf, bei so viel Zeitnot könne nur ein gehudeltes, konzeptloses Produkt entstehen. Das Gegenteil ist der Fall. Wer die Beteiligten wenigstens zum Teil kennt weiß, dass Dani und Peter bei der Arbeit keinen Stress aufkommen lassen, Hannes („Built For Comfort“) sowieso nicht. Von den in Frage kommenden Stücken wurde eine Anzahl eingespielt, von denen elf den Weg auf die CD fanden, bis auf „Feelin‘ Blue“ lauter Coverversionen.

 Es kann kein Zufall sein, dass fünf Titel Little Walter zugeordnet werden können (tracks 1,4,5,7 und 11), teils auch von ihm selbst komponiert – wahrscheinlich sucht man einen zeitgemäßen Harpspieler vergeblich, der nicht irgendwie von ihm beeinflusst wurde. Dennoch trifft es nicht den Kern, Baumgartner als Imitator zu bezeichnen, zu vielfältig ist sein Spiel, zu ausgiebig hat er alle seine Vorbilder gehört und seinen eigenen Stil gefunden.

Die Platte beginnt – wie könnte es anders sein – mit Little Walter – „One More Chance“ aus 1955, einem mittelschnellen Jumper, bei dem alle Beteiligten dem Vergleich mit der Originalversion durchaus standhalten. „Vacation“ entfernt sich einigermaßen von Mose Allison’s Einspielung, für das Arrangement habe ich Dani im Verdacht. Bei Slim Harpo’s „…Find A Love“, einer Louisianaschnulze, geht das Herz auf. Niemand kann das singen wie Hannes, Peters tic-toc-drum passt genauso wie Danis Bass, und Walter ist weit weg von Little Walter. Bemerkenswerter Weise blieb diese Nummer seinerzeit unveröffentlicht und findet sich erst viel später auf einer Ace CD.

 Mit „Gonna Be Sorry“ und „Tell Me“ sind wir wieder bei Little Walter. Ersteres getragener, gefühlvoller Chicago- Blues, gefällt mir besser als das Original, letzteres mit Müllers galoppierenden Drums. Bei beiden Titeln kann Baumgartner seinen Little Walter so richtig heraushängen lassen.

Mit „Got The Blues“ sind wir beim einzigen frühen Blues auf der CD. Ein Vergleich mit dem Original ist müßig, 1928 ist nicht 2012, und John Hurt gilt als einer der größten Songster überhaupt. Hannes und Walter entledigen sich der Aufgabe mit Bravour, und als „rhythmisierter“ Countryblues passt das ganze durchaus auf die Scheibe. „Ain’t Right“ ist ein schneller Little Walter, „Love Signals“ ein eher selten gespielter Jimmy Reed mit allem was dazugehört. Die Begleiter machen alles richtig, der „gschlapfte“ Rhythmus passt genau, Stimme und Harmonika stehen im Vordergrund.

 Broonzy’s „Hold You Tight“ ist eine lebhafte, jumpige Nummer, im Original mit Bläsern aufgenommen. Hier soliert nur Stimme und Harp, ein Gitarrenchorus hätte gut gepasst und das Stück hätte länger sein dürfen.

 „Feelin‘ Blue“ aus der Feder Baumgartners ist lebhafter, als es der Titel vermuten ließe; scheinbar ist er ganz froh, dass sein Baby weg ist. Die Stimme kommt zum Teil double-tracked, Hannes lässt ein gekonntes Solo hören, insgesamt eine stimmige Nummer.

Ob man das Thema nicht schon irgendwo gehört hat?

 „Feeling“ ist ein würdiger Abschluss der Scheibe. „Mit Gefühl“ ist die ganze CD aufgenommen, mit harmonischer Titelauswahl, „easy listening blues“ trifft vielleicht den Kern. Niemand muss sich beim Zuhören aufregen, einfach zurücklehnen, genießen.

Mit etwas über einer halben Stunde hätte die CD etwas länger dauern können, aber vielleicht hätten zusätzliche Titel den Gesamteindruck behindert. Weitgehend live im Studio aufgenommen finden nur wenige overdubs Platz; technische Perfektion Marke Wingert ist eine Selbstverständlichkeit. Das Cover ist originell und freundlich gestaltet, ein paar zusätzliche Informationen hätten nicht geschadet.

Werner Simon