Konzertbericht Grainne Duffy

Grainne Duffy & Band

Reigen, 25.3.2015

Obwohl mir die beste Sissi von allen ein paar Videos aus dem Net gezeigt hatte, gingen wir vorsichtshalber ohne große Erwartungshaltung in den Reigen. Als „roh und ausdrucksstark“ ist sie im Blues Spring Folder angekündigt, und einen ähnlichen Eindruck hatten die Beispiele aus YouTube hinterlassen. Grainne – obwohl es für die phonetisch richtige Aussprache dieses keltisch-gälisch-irischen Namens einer mittleren Kehlkopfentzündung bedarf, versteht man ihr Englisch etwa so gut wie das Texanische.

Es betritt eine sehr aparte, junge Frau mit E-Gitarre die Bühne, gefolgt von drei Herren. Sie hat rötlich-blonde, glatte lange Haare, trägt beige-braune Halbstiefel und ein sehr kurzes, blaues Kleidchen. „Hoffentlich“, raune ich in Richtung Sissi, „hoffentlich hat sie eine blickdichte Strumpfhose an“. Gleich werde ich eines Besseren belehrt: „Sie hat überhaupt keine Strümpfe an, sondern etwas, das du von früher als ‚Hot Pants‘ kennst“. Na gut. Hätte ich nicht bemerkt, habe auch nicht so genau hingeschaut.

Es folgen ihr zwei jüngere Herren, der eine, Paul Sherry, mit Gitarre, der andere, Eamon Ferris, mit leeren Händen, weil er der Drummer ist. Beide haben Straßenkleidung an, beide haben rötliche lange Haare.

Der dritte Herr ist ein älteres Semester, Davy Watson, trägt einen E-Bass und kurze Haare, ebenfalls in Straßenkleidung.

Noch etwas unsicher wird der erste Titel gespielt, Blues-Rock oder besser Rock-Blues in mittlerem Tempo. Nach dem ersten Applaus legt sich das Lampenfieber, man wird lockerer. Es ist schon laut, aber nicht unerträglich, der Sound ist wieder in Ordnung, transparent, nicht mulmig.

Die meisten Stücke dürften eigene sein, jedenfalls habe ich außer „Driving Me Crazy“ keinen außer dem letzten erkannt. Grainne spielt viele Chorusse selbst mit Plektrum, die anderen der zweite Gitarrist. Man hat Mühe zu erkennen, wer von den beiden gerade dran ist, die Soli folgen übergangslos aufeinander. Am besten erkennt man den Unterschied daran, dass sie fast immer Single Notes spielt, während von ihm auch Chords zu hören sind, oft mit Effektgeräten wie unter anderen einem Wah Wah Pedal, und auch mit Slide. Beide spielen technisch sehr gut und ausgezeichnet harmonisch zusammen, da sitzt jedes Intro, jedes Break und jeder Schluss; der Bassist wirkt unspektakulär, aber effektiv, der Beat des Drummers lässt keine Wünsche offen.

Das Repertoire ist von vielen Liedern in ähnlichem Tempo geprägt, einige davon gehen ins Ohr;

Balladen sind selten, aber eindrucksvoll. Frau Duffy hat eine sehr gute Stimme, die beste Sissi meint, sie könnte genauso gut Country & Western singen, und außerdem ist die Band für ein jüngeres Publikum sehr attraktiv, könnte auch im Flex oder in der Arena auftreten. ACDC oder die Stones sind nicht weit weg.

Das Beste kommt zum Schluss: Bei „I’d Rather Go Blind“ drängt sich der unmittelbare Vergleich mit der Originalversion, mit Beyoncé Knowles im „Cadillac Records“ Soundtrack und mit Meena Cryle auf. Nur im Tie-Break könnte eine Entscheidung getroffen werden, alle Interpretationen sind sehr gut, an Etta James kann sowieso niemand herankommen. Diese Ellington Jordan/Billy Foster Komposition ist so großartig, das man unwillkürlich nur auf die Melodielinie hört und die jeweilige Präsentation weniger beachtet.

Blues-Rock oder Rock-Blues ist nicht ganz meins und wird es auch nicht mehr werden. Sissi ist sowieso (auch) eine Rockerin und war äußerst zufrieden. Es war jedenfalls eine gute Idee, diese Band nach Wien einzuladen und im Rahmen des Blues Spring vorzustellen.

Website: http://grainneduffy.com/      

Werner Simon