Neuer Konzertbericht Herby & The Mudcats 24.3.2017 Reigen

Herby & the Mudcats, feat. Lilli Kern
Reigen, 13. Vienna Blues Spring,
24. 3. 2017

Wer je irgendwo, irgendwann dieses Musikerteam, verstärkt durch Lilli Kern, gehört und erlebt hat, für den reicht als Bericht die Angabe der technischen Daten: Ort und Zeit. Wäre da nicht so etwas wie der Kernsatz zur Band, vom Bandleader selbst: „Ein Song darf nicht nur gehört werden, sondern auch gefühlt und erlebt.“ Darin steckt die diskrete Aufforderung, dieses „Fühlen“ und „Erleben“ weit über die unzählbaren Momente des Abends auszudehnen. Und wahrhaftig, es lohnt sich, auch lange nachher den Memory Stick in Betrieb zu halten. In der Realität kann man sich ja keinen noch so knappen Augenblick der geballten Wucht der Mudcats-Musik entziehen, denn entweder schwelgt man sowieso in der erlebnisreichen Gefühlswelt, ja mag meinen, Augenblicke lang gar nicht zuzuhören. Wenn man  dann wieder in das Hier und Jetzt zurückeilt, geht das beeindruckende und zugleich entrückende Dabeisein unvermindert weiter, ohne irgend ein sich verselbständigendes Break. Wie oft gab es dieses Erwachen aus der Trance, die einfach nicht aufhören will. So als ob man seine Lieblingsspeise nicht aufhören kann, sie zu geniessen, und das von Augenblick zu Augenblick in wohlfühliger Aszendenz. Aber der eigentliche Genußmoment ist schon vorbei. Genauso ist es mit der Musik der Dunkelformation.
Da ist einmal Herby Dunkel mit aller Zurückhaltung und beeindruckender Präsenz. Sein Gitarrenspiel umfaßt nicht nur seine Leadgitarre, sondern in einem eine zweite Begleitgitarre – wie er das macht? Erleben, sagt er selbst. Es gibt da keine Möglichkeit, das sprachlich zu beschreiben. Es ist einfach höchste Kunstfertigkeit und ein scheinbar nicht begrenzbares Talent. Ganz zur Freude der Hörerschaft (sie füllte den Reigen zur Gänze), und sicher auch zu seinem eigenen Spaß. Exaktheit, Präzision, Variantenreichtum. Er geht mit dem Instrument um wie er das mit seiner modulationsfreudigen Stimme handhabt. Wie ernst ihm die Musik ist, dazu paßt hervorragend seine zum dramatischen Fach tendierende, kraftvolle Mittellage, eher in Baritonnähe zu finden. Was man vergeblich sucht: er strengt weder sich noch seine Stimme an; das kann man legitim als talentbedingt nennen.
Gerry Lülik: was verbinden bloß so viele Musik begeisterte mit diesem Namen!! Begierig lauert man auf jene Sekunden, die ganz ihm gehören. Selbst wenn man ihn noch so oft schon erlebt (ganz im Sinne des Bandleaderzitates, s. oben), er packt den Zuhörer ausweglos, ihm alle Aufmerksamkeit zu geben. Er wird nicht widersprechen können, wenn man in seiner Musikpräsentation ein Fortwirken des Flairs seiner Arbeitsstätte, der Wiener Staatsoper, immanent zu sein glaubt. Hätte ein Verdi, ein Wagner, ein Rossini und Donizetti Parts für eine Mundharmonika geschrieben: Lülik wäre von dort nicht mehr wegdenkbar. Welch ein Geschenk für die Bluesfreunde, daß die Oper keine Harp kennt. Welcher Verlust für die Opernmusik, daß sie Lülik nicht kennt.

Benji Hösel am Bass ist in dieser Band längst unersetzbar. Er bedient seine Geräte mit der gleichen Virtuosität, mit der er als Backgroundsänger sich intensiv am Vokalgeschehen beteiligt. Es lohnt sich, darauf zu achten, wie eine noch so knappe Gesangssequenz einen enorm verstärkten Charakter bekommt, wenn er den Background füllt. Und ebenso führt er seinen Bass: stets präsent, nie ein Quentchen zuviel oder zu wenig, ganz im Dienst der Tonbasis. Man kann eigentlich nicht anders, als dies den Tonträger der Band zu titulieren. Wer möchte zudem darauf verzichten, seine lebendige, einprägsame Körpersprache mitzuerleben? Im Gesamtbild ist Benji Hösel der Repräsentant des Musikers, mit Tönen des Instrumentes, der Stimme und die persönlichen Darstellung. Welche wundervolle Dreiheit!!

Yasemina Lausch am Schlagzeug ist nicht nur für die Mudcats eine Novität, sie ist für die Bluesmusik eine einzigartige Bereicherung, und an diesem Abend im Reigen ein großes „Geschenk“ an das Publikum. Präzise, exakt, unaufdringlich, stets „dabei“, weiß Akzente zu setzen: so wie man den Drumpart sich wünscht. Ihre frenetische Begrüßung war für das, was Yasemina leistete, noch viel zu wenig. Der Abschiedsapplaus lag da schon in der Phonskala an einem anderen Meßpunkt. Ihr kann man noch viele höchst erfolgreiche Events mit den Mudcats voraussagen. Dem Publikum das Erleben einer hochbegabten und nicht minder motivierten Strahlerperson an den Drums.

Lilli Kern, welcher Begriff in der Gesangskultur, ob Blues, Soul, Jazz, Gospel und wieviele Genera noch. Sie war als begehrtester Gast mit auf der Bühne. Ihre Gesangskunst zu beschreiben käme – nach dem schon sehr alten Sprichwort – einem echten Eulentransport nach Athen gleich. Was kann sie da an Gesangskultur ins Publikum zaubern.
Als Appetitanreger eine kleine Auswahl der Songs des Abends (insgesamt 30): Be careful (John Brim), Steady rollin‘ man (Robert Johnson), Trouble No More (Muddy Waters), Nobody but you (Little Walter), Tore down (Freddie King), Everybody´s in the mood (Howlin Wolf), Shake this joint (Herby Dunkel), Trust my baby (Sonny Boy Williams), Money (Barrett Strong), Bright lights big city (Jimmy Reed), How blue can you get (B.B. King), I want to be loved (Muddy Waters), My country man (Big Maybelle), Little red rooster (Howling Wolf): diese sind die Dokumentation für eines der Markenzeichen der Mudcats: Abwechslung im Programm. Ich wüßte keine zwei Gigs der Band mit identischem Programm. Der Reichtum dieser Musik wird hier in kluger Art nutzbar gemacht.

Nicht fehlen darf das Resumee: Herby and the Mudcats spielen auf einem sehr, sehr hohen Niveau. Scharf betrachtet ist man genötigt, „konkurrenzlos“ dazuzusetzen.

Hermann Harrauer