Konzertbericht Lightnin´Guy Verlinde

Lightnin‘ Guy Verlinde im Reigen, 2.April 2015

Der Belgier „Lightnin’“ Guy Verlinde wurde zwar im Blues Spring Programm als & Mighty Gators, also mit Band angekündigt, trat aber solo auf. Er ist Bluessänger/-Gitarrist/-Harpspieler, Singer/Songwriter, Sozialkritiker und (fast) ein Philosoph.

Mitgebracht hat er eine Resonator-Blechgitarre, eine Weißenborn, Mundharmonikas, ein Kazoo und einen ziemlich großen, ziemlich alten Koffer, den er mit einer Fußmaschine wie eine Basstrommel traktiert. Er spielt akustisch im Sitzen, verwendet keine Effektgeräte, singt mit angenehmer, mehrere Oktaven umfassender Stimme, setzt auch wenn´s passt Falsett ein, und spricht und singt in leicht verständlichem, sehr perfekt wirkendem Englisch. Seine verbindenden Geschichten und Ansagen erzählen aus dem Leben, auch aus seinem eigenen. Er sieht sich selbst nicht als Protestsänger, hat aber durchaus sozialkritische Ansätze, oft mit einem humorvollen Augenzwinkern. „Blues is a disease“, sagt er, also ein chronisches Leiden, dem er selbst unterliegt.

Zu meiner und der besten Sissi von allen Schande müssen wir gestehen, diesen Mann zuvor live nicht erlebt, ja nicht einmal gekannt haben, obwohl er schon mehrmals im Reigen aufgetreten ist.

Sissi bezeichnet ihn als einen Mix aus Ian Siegal, Guy Forsyth, Tim Easton und David Gates, und so unrecht hat sie damit nicht, auch wenn Verlinde seinen eigenen Stil hat und vor allem seine eigenen Lieder vorträgt. Gitarrenakrobatik ist ihm nicht wichtig, obwohl er beide Instrumente durchaus virtuos beherrscht; dies gilt auch für die Bluesharp. Den Basstrommelkoffer setzt er nicht inflationär ein, sondern verwendet ihn sparsam und effektorientiert. Wirkung auf das Publikum erzielt er mühelos sowohl mit seinen Stories wie auch seinen Liedern; zum Mitsingen und -klatschen muss er nicht besonders auffordern, die Leute machen von sich aus mit.

Das Konzert bestreitet er mit vielen Liedern aus seiner letzten CD/LP „Blood For Kali“, BlueSting 049 (sehr empfehlenswert!), älteren eigenen Stücken und einigen Covers wie Wilbert Harrison’s 1959er Hit „Let’s Work Together“, besonders bekannt durch die Version von Canned Heat, und Sam Cooke’s „Bring It On Home“, gespielt auf der Weißenborn und getragen gesungen.

Mit heftigem Applaus zu Zugaben veranlasst sagt er: „Let’s do a crazy thing“, schnappt die Blecherne und marschiert ins Publikum, wo er sich auf einen freien Sessel setzt und ohne Elektrik  als erstes J.B.Lenoir’s „Alabama“ anstimmt, danach „You Gotta Move“ seines Heroes Fred McDowell spielt und mit „Crazy ‚Bout My Baby“ (frei nach Lightnin‘ Hopkins‘ „Crazy ‚Bout My Automobil“) endet.

Ein superbes Konzert eines superben Künstlers, der in Belgien ein Held und Mitbegründer der European Blues Challenge ist. Er ist bei uns zu Unrecht wenig bekannt – außer beim Vienna Blues Spring, dort war er schon einige Male engagiert. Sobald er wieder in Wien auftritt, werde ich ihn mit Sicherheit nicht noch einmal versäumen!

Werner Simon