Fall in Blues „Love sick“

Allzuoft ist es leider so, daß österreichische CD-Produktionen nicht den internationalen Widerhall finden, den sie sich aufgrund ihrer Qualität und des Könnens des/der Künstler verdienen würden. Oft scheitert es ja schon daran, daß sich nicht einmal ein internationaler Vertrieb findet. 

Umso erfreulicher ist es dann, wenn eine CD doch über Umwege ihren Weg über die heimischen Grenzen findet. Und noch feiner ist es, wenn sie dann auch noch gut ankommt. 

„Love sick“, die erste CD von Hermann Posch und Fall in Blues, ist zwar schon im Jänner des vorigen Jahres erschienen, sie hat auch fünf phantastische Sterne im „Concerto“ bekommen, trotzdem möchten wir gerne diesen Text abdrucken, der auf einer deutschen Internetseite erschienen ist. 

Die Kritik hat Michael Franz verfaßt, der uns freundlicherweise auch erlaubt hat, den Text auf unsere Seite zu stellen. Zusätzlich gibt es auch noch eine Forumsdiskussion zu dieser CD, die Ihr unter dem Link 

http://www.sabinebendlin.de/tonbandwelt/thwb/board.php

nachlesen könnt. – Allerdings ist es die ganze Seite wert, einmal durchschmökert und immer wieder besucht zu werden. 

Michael Franz ist kein professioneller Journalist, er ist Musikliebhaber, der seine ureigene Meinung über diese CD niedergeschrieben hat. Und es bestand auch nie die Absicht, daß der Text außerhalb des Tonbandwelt-Forums erscheint. – Umso ehrlicher ist er verfaßt. – Und ich bin beeindruckt davon, mit wieviel Liebe und Akribie Michael sich in die CD hineingehört hat. 

Hier geht´s zu Michael´s Text:
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Vor ein paar Wochen hat sich Hermann Posch hier im Forum registiert, wohl hauptsächlich in der Absicht, eine Bandmaschine samt Mischpult zu verkaufen. Ich wurde schnell mit ihm einig und holte die Teile bei ihm in Niederösterreich in der Nähe von Wien ab. Aus der Korrespondenz ergab sich, daß Posch Musiker ist und in einer Bluesband Gitarre spielt. Die Geräte standen in einem gut eingerichteten Proben-Studio, und dieses signalisierte: Das ist kein Hobby-Blueser, der am Feierabend Anzug und Krawatte mit Jeans und Lederweste vertauscht, um den Idolen seiner Jugend nachzueifern. Posch ist Profi und lebt davon, seine Musik zu spielen und zu unterrichten. Das funktioniert anscheinend, mühselig zwar, aber immerhin. Im Jahre 2002 hat er mit seiner Band eine CD eingespielt, ein paar Exemplare davon waren noch vorhanden, eines davon hat er mir geschenkt.

„Love Sick“ von „Fall in Blues“ ist seit dem, dies vorneweg, eine meiner Lieblingsplatten. Ich höre sie immer wieder, und wenn der Koffer „für die Insel“ gepackt werden muss, ist sie mit dabei. Dabei gelingt es mir nur sehr schwer, für die große Masse des Blues Begeisterung aufzubringen. Zu langweilig und stereotyp ist vieles, auch solches, was
hochgejubelt wird. Daß mich Blues in seiner Reinform fasziniert, passiert eher selten. Hier ist es der Fall.

Die Platte enthält 8 akustische Songs zu Anfang und 5 elektrische zum Schluß, dazu noch einen hidden-track. „Acoustic-Folk-Blues“ möchte man auf die Schublade schreiben, wenn man die ersten Takten gehört hat, und „… von der allerfeinsten Sorte!“ gleich hinterherfügen. Posch‘ Stimme ist ausdrucksstark und fähig zur Differenzierung, ohne eine ausgesprochen typische, archaische Blues-Stimme zu sein. Das Delta zwar immer im Blick, ist er klug genug, nicht so zu tun, als kenne er jeden Baumwollstrauch in Amerika persönlich. Viele schaffen es nicht, an diesem Klischee vorbei zu kommen. Posch umschifft diese Klippe souverän und liefert eine urbane, moderne Variante des traditionellen, akustischen Blues.

Dieses – und das ist das bestimmende Merkmal dieser Produktion – völlig locker und unangestrengt, als gäbe es auf der Welt nichts selbstverständlicheres. Posch spielt zum Gesang Gitarre, die 2. Gitarre hat schon mal Nylon-Saiten oder wird durch eine Mandoline ersetzt. Ein Bass ist immer dabei, und Drummer möchte man denselben gar nicht nennen, angesichts der filigranen Percussion, die er da hintupft. Die Musiker wechseln, das macht die Musik innerhalb des Genres abwechslungsreich.

Die Frage nach dem instrumentalen Können beantworte ich so, wie Rolls Royce die Frage nach der Motorleistung beantwortet: Genug in jeder Situation. Da spielen keine eitlen Pfauen in der Absicht, mit flinken Fingern zu brillieren. Da sind vielmehr Musiker am Werke, die mit fantastischem Timing und guten Ideen glänzen. Sie beherrschen die Kunst, in einer Pause mehr Musik zu machen als mancher andere in einem ganzen Song. Sie stellen ihr instrumentales Können nicht aufdringlich zur Schau sondern in den Dienst der Musik. Immer wieder lassen sie es dezent aufblitzen, aber man muss diese Momente schon abpassen.

Vergleiche sind ungeliebt und und meistens schief, aber wie soll man sonst etwas erklären? CCR fällt mir ein, wenn ich diese Musik höre, die doch eine ganz andere ist als die von John Fogerty & Co. Aber Attribute wie „schnörkellos“, „trotz Einfachheit immer wieder mitreissend“, „keine Note zu viel“, „kompakt“ und viele mehr treffen auch auf diese Musik zu. Wenn man einen Abstecher zu den Grateful Dead macht, sollte man schon zu „Working Man’s Dead“ oder zu „American Beauty“ greifen. Deren lockere und unbeschwert-zwanglose Atmosphäre des Musizierens wird gut getroffen. Clapton ist immer ein Vergleichs-Kandidat, wenn es um Gitarren-Blues geht. Manches, ja sogar vieles von ihm kann hier im Regal bleiben. Alleine die „unplugged“ käme in Frage für den Beweis, daß man nicht Clapton heissen und auch nicht so wie dieser spielen muss, um ein ebenso feines Blues-Album zu einzuspielen.

Die Songs sind eine Mischung aus Eigenkompositionen, Traditionals, alten Bluesklassikern und solchen Songs hochrangiger Musiker, die sicher noch zu Klassikern werden. Die Auswahl der Kompositionen ist stimmig, es gibt keine Brüche, und die Eigenkompositionen Poschs fügen sich nahtlos und auf gleichem Niveau in den illustren Rest. „Love Sick“, der Titelsong, eher eine getragene Nummer, entwickelt einen solchen Drive, daß man sich eine elektrische Version mit fetten Gitarren wünscht. „Jesus on the Mainline“ ist ein Highlight im Repertoire der Herren Ry Cooder und David Lindley. Diese spielen das Stück sehr rhytmisch, percussiv, fast abgehackt, Fall in Blues hingegen lassen es fliessen, was mir besser gefällt. Der „Midnight Blues“ von Dicky Betts ist eine tolle Nummer. Ich kenne das Original nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie man es besser spielen könnte. Das Intro des Percussionisten bei diesem Song, so simpel wie großartig, ist eine Klasse für sich.

Es gibt zwei Nummern solo, nur Gesang und Gitarre. Ein Instrumental aus der irischen Tradition schließt den Akustik-Teil ab. Beim Einstieg in den elektrischen Teil denke ich spontan, daß Posch gut beraten war, diesen Part hintenan zu stellen. Diese Musik ist nicht schlechter als die akustische, aber sie klingt gewohnter. Der geplagte Vielhörer wäre versucht, beim hören dieser schon so oft in ähnlicher Form vernommenen Klänge die ganze Platte über einen Kamm zu scheren. So, in der richtigen Reihenfolge, lässt man sich, getragen durch den ersten Teil, auf diese Musik ein und tut gut daran. Am Ende gibt es nochmals „Love Sick“, in einer elektrischen Version, so, wie man sich das ganz zu Anfang gewünscht hat.

Als die Stones im Rahmen ihrer letzten Stadiontournee während des Konzertes auf einer kleinen Bühne in der Mitte des Publikums einen Blues-Set spielten, so krankte diese an sich gute Idee daran, daß die Auswahl der Songs hätte besser sein können. Vielleicht reisen Jagger & Richards mal in die Wiener Gegend und besuchen Herrmann, „Love Sick“ wäre durchaus geeignet für’s Repertoire

Wenn man bei dieser Scheibe den Blues kriegt, dann deswegen, weil so eine Musik, von den meisten unbemerkt, in irgendwelchen Clubs weitab des eigenen Aktionsradius stattfindet, weil die Platten nicht über geeignete Kanäle vertrieben werden, und weil man auf die Empfehlungen der Musik-Gazetten angewiesen ist, die soetwas gar nicht zur Kenntnis nehmen. Statt dessen werden dort wesentlich schlechtere Produktionen mit vielen Sternen geadelt.

Gemeckert wird auch noch:

Es gibt keine Liner-Notes, keine Angaben über die Komponisten, keine Texte. Auch ein paar Infos über die Aufnahmeverfahren dieser – klanglich übrigens ganz herrvorragenden – Produktion würde ich mir wünschen.

Vielleicht liest Hermann das ja, schreibt etwas Ergänzendes dazu und korrigiert mich, wo ich bullshit geschrieben habe. In der Begeisterung passiert sowas. 

Michael(F)