DVD-Mitschnitt der Greyhound Gang. 11.05.2013 Louisiana Blues Pub

Nach den eigenen Angaben spielen fünf Musiker (Andi Bauer [Gitarre, Mundharmonika, Gesang], Erich Lahner [Gitarre], Werner Jelinek [Gitarre], Thomas Straka [E-Bass], Michael Amon [Schlagzeug] ) mit einem Gesamtalter (betr. 2013) von 275 Jahren Blues. Diesmal gar zum fünfjährigen Bandjubiläum! Der Jubel ist identisch mit dem der Hörer und Fans.

Zum Bandnamen sollte klargestellt sein, daß er vom weltweit im Einsatz befindlichen Busunternehmen inspiriert ist. Wenn nun Informationsmedien der Zeit von 3100 Destinationen allein in Nordamerika, von 8400 Mitarbeitern in den USA und von jährlich beförderten 22 Millionen Gästen referieren, wird das Gedankenspiel um eine Nuance erweitert: Sagt der Name allein, daß sie wie die Windhunde unterwegs sind und daß sie gleichviel Musikenthusiasten mit ihrer Musik erreichen wollen? Keine Interpretationshinweise drängen sich zum Zusatzsubstantiv (“Gang“) in den Vordergrund. Allein, und da herrscht wohl Einigkeit, der Name der Band allein erregt Interesse und großen Zuspruch, hat man sie auch nur einmal gehört.

Und – wiederum ein Zeitphänomen, d. i. die Bequemlichkeit – es wird nun durch eine DVD die Bekanntschaft mit der Band/Gang erleichtert: Man hat sie also realiter in der Hand: Vor dem Bildschirm spielen sie dem Hörer und Seher auf: Das Konzert am Abend des 26. 1. 2013 im längst zur Legende mutierten Louisiana Blues Pub wurde in einem Konzertmitschnitt festgehalten. Man entschied sich für eine sw-Darstellung, die das Liveerlebnis ganz und gar nicht schmälert, im Gegenteil: Auch in den Liedtexten fehlt es nicht an sw-Kontrasten.

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Was der DVD fehlt, wird hier nachgereicht: Die Liste der Songs:

 1 “Cadillac assembly line“ (Bernard Allison): In dieser Adjustierung soll´s nach Michigan gehen, doch was erwartet dort den Ankömmling? Es steckt wohl eine gut verdeckte Einladung dahinter, mit der das Publikum gleichsam bildlich in die Großstadt musikalischen Ambientes geleitet wird.

 2 “Playin´ in the dirt“ (Robert Cray). Wie fast jedes der Lieder in der Interpretation dieser Band bietet auch dieses nicht nur Raum für Soli – da ist es Andi Bauer mit der Harp -, um jenen Akzent deutlich, ja unüberhörbar zu machen, der dem Ensemble wichtig ist. Da ist´s vom Refrain “in the dirt“, der durch die Längung eindringlich gemacht wird.

 3 “Bloody murder“ (nach der Version von Paul Lamb The Kingsnakes): Der Liedtitel läßt eher Dramatik und Horror erwarten. Die Greyhound´s pflegen vielmehr ein tief im Gemüt abgelegtes elegisches Mitgefühl

 4 “Honeytrap“ (Bobbie Mack): Ganz als Kontrapunkt – für den ganzen Abend gesehen, und da speziell zur Nr. 2 (in the dirt“) – verknappt hier Andi Bauer das Motivwort, dem als Merkhilfe für den Zuhörer eine scharf umgrenzte Pause folgt.

 5 “Big City “(Luther Allison): Unüberhörbar sind als Plus- und Minuspunkte für den Lebensraum der Betroffenen jene Schwerpunkte einer Großstadt mehr als nur Hörgenuß durch die Musik. Die geforderte Aufmerksamkeit, auch wenn sie für den gesamten Auftritt der Greyhound Gang zum Markenzeichen geworden ist, verhindert eine bloßes, reaktionsloses Zuhören.

 6 “Riding with the King“ (John Hiatt): Da bleibt im Gesamtrückblick auf den Abend soetwas wie der Hinweis, daß rare Momente des Lebens mit dem Blick des Irdisch-Alltäglichen wahrgenommen werden sollen.

 7 “Same thing“ (trad.): Schon so viele haben es auf verschiedenste Weise interpretiert, doch die darin zur Sprache gebrachte Zeitkritik wird eine fortdauernde Gültigkeit gewährleisten. Der pointierte Vortrag mit dem ganz knappen Stop läßt niemanden die Hervorhebung des “same thing“ überhören

 8 “Sky is cryin´“ (trad.): am ehesten noch angelehnt (vom Aufbau her) an Stevie Ray Vaughan´s Version (so Andi Bauers Bezeichnung) war die Songnummer des Abends, in der Erich Lahner im Gitarrensolo der Aufforderung des Bandleaders “Spiel was Trauriges“ mit derartiger Hingabe und Konzentration nachkam, daß mehr als nur Mitgefühl und auch eine Betroffenheit sowie Sorge um die Zukunft weit über das Hören hinaus haften blieb. Fast möchte man sagen, so entsteht ein G´wissenswurm!

 9 “Crossroad“ (Calvin Russell): Andis Solo war Publikumswunsch. Ich für meinen Teil kann dieses zum Kult gewordene Lied immer wieder hören und entdecke immer wieder neue Momente starker Berührung. Kaum ein anderes Bild aus dem schnöden Alltag kann bei der Betrachtung durch C. Russell und die Interpretation unserer heutigen Blueser so die heikle Situation im ganz kommunen Leben verdeutlichen: Was wird da doch von jedem gefordert, wenn er vor der Kreuzung zur Wahl und Entscheidung genötigt wird. Wer wünscht sich da nicht den Wegweiser! Andi Bauer´s rauhe Stimme verdüstert die Situation und legt dem Moment der Entscheidung zusätzlichen Ernst auf.

 10 “Cool down“ (Peter Green): Ist´s in der saloppen Gegenwartssprache ein Tipp für den Alltag? Läßt sich als Resumée so mitnehmen.

 11 “Phone booth“ (Robert Cray): Einmal mehr steht es dafür, sich aus dem Lied jene Zeile herauszusuchen, die der Tiefgang der Aussage ist. Und es wäre nicht abermals in all der Verknappung des Textes, die den Kern enthält: “Been walkin‘ all day for old friends I can’t find, hearts so cold.“ Gesteigert in der letzten Strophe: “You know I’m broke and I’m cold, baby and I hope you’ll treat me right. I’m in a phone booth, baby, with the cold wind right outside.“ Fast könnte man ein Frösteln empfinden.

 12 “Help me“ (Sonny Boy Williamson II): Dieser First Class Song bietet so viele Aspekte individueller Interpretation, von der hier fast abundant Gebrauch gemacht wird. Während sonst oft das “Help me“ als Verzweiflungsruf in vielen Interpretation tief berührend zu hören ist, scheint in der Deutung der Greyhound Musiker eher eine kokette Alternative angedeutet zu werden. Aber den Ernst der Situation hält in fesselnder Art Thomas´ Strakas E-Bass fest.

 13 “Highway 62″ (Eric Burden): Es ist wiederum ein Grenzmoment im Menschenleben, wenn er die Verantwortung für die Verabschiedung von einem Mitmenschen, Freund o. dgl. übernommen hat, und sei es auch nur die Asche der Erde am adäquaten Platz zu übergeben. Nicht der Heiterkeit und dem Frohsinn, sondern einer Nachdenklichkeit und Gefaßtheit gehören die Augenblicke des Songs. Das hebt das Duett Bauer & Amon mit ihrem Ernst im Gesang heraus.

 14 “Boogie“ (à la John Lee Hooker). Der Elan dieses Boogie läßt den Abend ausklingen. Es tut durchwegs wohl, mit Spaß und enormem Tempo in die späte Nacht verabschiedet zu werden.

 

Auch wenn hier natürlich eine betont persönliche Hörweise zur Sprache kommt, es ist allemal die Musik, wie sie von der Greyhound Gang gebracht wird, alles andere als interpretationsfrei. Im Gegenteil: Jede einzelne Nummer verlangt vom Zuhörer eine besondere Aufmerksamkeit, sie bietet ihm ein breites Band des eigenen Verständnisses, das wiederum ganz davon abhängt, wie weit man Musik und Text an sich heran- und in sich hineinläßt. So gesehen muß man dieser Darbietung der Musik einen besonders hohen Anspruch attestieren. Und daß ein solcher von größerer Wirkung und höherem Erinnerungswert ist als jener der puren Unterhaltung und des launigen Zeitvertreibs, das steht ja außer Frage.

Ein Charakteristikum kann einfach nicht bei dieser Betrachtung wegbleiben: Hier wird Stimmung als innerer Wert erzeugt. Wer´s wissen will, höre diese fünf Musiker und beobachte sich selbst. Die DVD mag zur Überprüfung und eigenen Wertung leicht verhelfen.

Hermann Harrauer